Alle sind nun davon betroffen

Im Zug sind nicht viele Leute, aber alle Abteile sind besetzt. Es ist ruhig, ich schaue mich um. Alle sind am Handy. Früher war es noch so eine Altersfrage, die Handy-Sache. Heute ist auch die ältere Generation sehr oft darauf schauend und wischend. Was bleibt, ist die fast andächtige Ruhe. Und die ist schön.

Vor der Street Parade (Ruhe vor dem Sturm)

Vor der Zugfahrt fragt mich ein Mann in der Unterführung im Bahnhof Bern, ob es hier zum Voie sept gehe. Ich bestätige dies. Ob der Zug hier nach Zürich fahre. Auch dies bestätige ich. Sein Ziel  scheint wohl dasselbe zu sein. Ich zeige suche auf die Nummer sieben, die man nun, beim Aufstieg zum Perron, schon sieht. „Voie sept?“, fragt er nochmals. Nochmals sage ich „Oui“.

Alleine fahre ich mit dem Zug von Bern nach Zürich. Es hat in der ersten Klasse mehr Leute als auch schon, ist aber ganz angenehm. Der Zug ist ein Doppelstöcker, und oben im ersten Stock fühlt es sich beim Blick aus dem Fenster so an, als würde man auf eine stumm geschaltete, sich sanft, aber dezidiert wegbewegende Welt hinunterschauen.

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Die Sache mit dem Karma

Heute morgen, auf dem Weg zur Arbeit. Der Zug, den ich nehmen möchte und der mich normalerweise in die Stadt bringt, fällt aus. Auf der Anzeige oberhalb des Perrons wird ein „Ersatzzug“ angezeigt. Aber es handelt es sich dabei lediglich um den Zug, der nach dem „meinigen“ Zug – der eigentlich in diesem Moment hier halten sollte – als nächster Halt machen wird beim meinem Heimbahnhof gemäss normalem Fahrplan. Aber „Ersatzzug“ klingt wohl schön.

Am Abend dann, nach der Arbeit. Ich stehe auf dem Perron, und siehe da, ein Déjà-vu; „Ausfall“ steht da; der Zug, der mich nach Hause bringen sollte, fällt aus. Ich vermute schon etwas karmisches.

Doch dann denke ich, vielleicht liegt es ja nicht an mir. Zumal ja die grossen Bauarbeiten am hiesigen Bahnhof gestartet haben. Und siehe da, auf der „Wälle“ oben an einer Scheibe ist ein – notabene rotes – Plakat angeklebt, welches über diverse Zugausfälle informiert, aufgrund der schon erwähnten Bauarbeiten. Auch auf meiner Bahnstrecke gibt es baubedingt Ausfälle derzeit.

Ich bin froh, ist es keine Karmasache. Wobei, ausgeschlossen ist das ja noch nicht!

Wo man die Zeit vergisst

Spiez

Im März, in Spiez, beim Bahnhof. Der Zug Richtung Bern fährt langsam los, dann sehe ich einen Mann am Zug entlang rennen. Ich sehe, dass es sich um den Kondukteur handelt. Er hat vergessen, einzusteigen. Der Zug bremst ab, der Kondukteur kann einsteigen, und die Fahrt geht wieder los, mitsamt Kontrolleur.

Daran erinnere mich, weil ich heute wieder in Spiez war. Vor einem Zug reden zwei Kondukteure miteinander – einer blickt auf seine Uhr, stellt fest, dass es ja an der Zeit ist – der Zug hat jetzt abzufahren. Schnell steigt er ein, ebenso sein Kollege.

Spiez – scheinbar ein Ort, wo man die Zeit schnell vergessen kann.

Gesammelte Zug-Momente

Der Zuganschieber

„Geits mitem Snowboard?“, fragt eine junge Frau im Abteil hinter uns.
Ein älterer Mann antwortet: „Ja, ja“. Und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: „Aber i finges super, dasder gfragt heit.“

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Lautsprecher-Durchsage, kurz vor Thun.
„Lokführer privat oder im Dienst wird gesucht. “

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Es isch scho nach Mitternacht, uf dr Strecki Züri-Bärn.
Eini zu eim: „Ligt er äch scho im Koma, odr isch r äch scho im Koma?“

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Es Ching zur Mueter:
„We ds Bundeshuus brönnt, chöme tuusegi Füürwehre!“

Heimat I

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Freitag Abend.

Nach langer Zeit reise ich wieder ins Oberland, dorthin, wo ich aufgewachsen bin.
Die SBB-Seite verrät, dass um achtzehn Uhr der Zug ziemlich voll sein wird.
Also beschliesse ich, etwas länger im Büro zu bleiben, und eine halbe Stunde später zu reisen.
Ein guter Entschluss, es hat genügend Platz im Zug, und es die Stimmung ist angenehm.

Einzig der Kerl, der direkt vor mir sitzt nervt mich etwas – er schreibt auf seinem Natel, mit lauten Tastentönen. Tastentöne – ich kann nicht begreifen, warum man diese eingeschaltet hat. Gleichzeitig frage ich mich, ob ich zu heikel bin, dass mich so etwas, eigentlich eine Lappalie, stört.

Ich überlege, ob ich mich irgendwie beschäftigen soll während der Zugfahrt, die nicht ganz eineinhalb Stunden dauert. Ich sehe davon ab, es ist ein schöner Tag, und die Aussicht zu bewundern reicht vollends aus – und ich geniesse sie. Anders als früher, als ich noch pendelte und die Strecke täglich zweimal zurücklegte.
Überhaupt ist die Wahrnehmung dieser mir schon so lange bekannten Landschaft eine gänzlich andere als füher – die Berge scheinen höher und imposanter, das Tal unglaublich grün.
Aber so ist das wohl, wenn man Distanz zu etwas gewinnt.

Nach etwa einer Stunde Fahrt nimmt eine Mitreisende ein Gespräch auf dem Natel entgegen – und begibt sich in das Zwischenabteil, um das Gespräch dort zu führen. Das imponiert mir irgendwie – ist es doch irgendwie unter anderem ein schönes Zeichen von Respekt gegenüber den Mitmenschen.

Das Ankommen in der Heimat – dies geschieht nicht erst bei der Ankunft im Bahnhof.
Schon im Zug kommt ein „heimeliges“ Gefühl auf, als ich den melodischen, einzigartigen Dialekt bei vielen der Mitreisenden höre.