Die Fotografie und ihre schönen Nebeneffekte

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Das Fotografieren kann ein zweischneidiges Schwert sein. Das stete, nie endende auf-den-Auslöser-drücken kann dazu führen, dass man sich nicht auf etwas konzentrieren kann, zum Beispiel auf das Geniessen von Ferien. Wenn es nur noch darum geht, das perfekte Bild zu machen, und die Umgebung per se gar nicht mehr im Vordergrund steht und nur am Rande wahrgenommen wird (und man dafür mit 4’000 Bildern nach Hause kommt).
Im Idealfalle aber führt das Fotografieren dazu, dass man den Moment gar noch bewusster wahrnimmt, fördert doch das hinter-der Kamera-sein mit der Zeit das Schärfen der Sinne, verändert die Wahrnehmung etc. pp. – Das will vielleicht geübt sein oder eine gewisse Zeit muss hierfür verstreichen, es ist aber dennoch gar nicht schwierig und geschieht von selbst. Und das gute daran ist, dass dieses Bewusster-Wahrnehmen, das man sich durch das Fotografieren erwirbt, dann auch ohne Kamera nutzen kann. Und das  ist schliesslich etwas vom Grossartigsten, das „den Moment-geniessen“.

Wohltuender Stillstand

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Am Morgen auf dem Weg zur Arbeit sein, im Tram, welches häufiger stillsteht als fährt. Und man sich entscheiden muss, ob man das häufige Stillstehen ärgerlich findet oder ob daran gar Gefallen gefunden werden kann.
Jemand weiter hinten im Tram hat sich definitiv für erstere Variante entschieden; die Person stampft mit dem Boden fest auf den Boden, sodass man es im ganzen Tram hört – und auch draussen.
Vielleicht ist es die ältere Frau, welche ab und zu am Morgen unterwegs ist mit dem Tram, und wenn jenes eben mal nicht weiterfahren kann – was natürlich vorkommen kann, welches die belebte Innenstadt durchquert wird – so stampft die Frau energisch auf den Boden. Die Leute, die diese Angewohnheit nicht kennen, blicken dann immer verwundert zu ihr – zu ihr, die den normalen Alltagstrott von vielen durchbricht; zu ihr, die Leute aus der Routine bringt, von den Smartphones aufblicken lässt, von den Gratiszeitungen, ungewollt, ja, vermutlich nimmt sie dies alles gar nicht wahr. Nur, dass das auf Schienen befindliche Beförderungsmittel angehalten hat.
Wenn ich mich entscheide, zur Abwechslung bei der vorletzten Station auszusteigen und über die Brücke zu gehen, so höre ich manchmal aus einem vorüberfahrenden roten Tram das wohlbekannte Stampfen.

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Stillstehen, nicht im Sinne von Stagnieren oder als etwas dauerhaftes – das kann etwas Schönes sein. Man kann innehalten, wahrnehmen. Auch bei Orten, die man schon kennt, oder gerade bei solchen Orten kann das sehr spannend sein, aufschlussreich oder beruhigend. Und gerade im Winter im warmen, gerade nicht fahrenden Tram zu sitzen und nach draussen blicken ist etwas angenehmes, man nimmt dasjenige, das da draussen ist anders wahr, als wenn man dort bloss vorbeigeht, eventuell gar noch in Eile, oder im Gespräch mit jemandem.  Hinaussehen durch das Fenster, den Menschen zusehen, die meisten sind einem unbekannt, manchmal jedoch sieht man ein vertrautes Gesicht. Der belebten Stadt einmal zusehen, als Unbeteiligter, als Beobachter.
Dafür muss man natürlich nicht im Tram sitzen, man kann auch draussen sein. Zum Beispiel beim Fotografien ist es zuweilen oder doch eher meistens erforderlich, dass man innehält, anhält. Auch darum mag ich es sehr, das Fotografieren.

Eine Frage der Wahrnehmung

Heute in der Stadt hörte ich ein Gespräch eines älteren Paares mit an.

„Früher war Bern eine schöne Stadt, sauber, nett und mit vielen verschiedenen Läden …[…]“

Ich kannte zwar das Bern vor 30 Jahren nicht und kann den Vergleich nicht beurteilen – aber: für mich ist das heutige Bern nett, sauber, und so weiter.

Die Welt ist nicht nur so, wie sie ist. Sie ist vorallem auch so, wie wir sie sehen (wollen).