Die Landung auf dem Marco Polo-Flughafen ist später als geplant. Der Abflug in der Schweiz war etwa eine Stunde später als gedacht, und obschon der Pilot bei der Flugzeit aufgeholt hat – mindestens eine Viertelstunde kürzer als vorgesehen: bei so einer kurzen Strecke kann man nicht viel Zeit mehr gewinnen.
Für mich spielt das keine Rolle – ich habe Ferien und eine Stunde mehr oder weniger, who cares.
Wie auch immer – bei der Landung auf dem italienischen Flughafen war noch etwas Licht vorhanden. Beim Verlassen des Flughafens dann aber schon nicht mehr.
Ich gehe den Weg zu den Vaporettos – Venedigs Wassertaxis. Ebenjene sind die öffentlichen Verkehrsmittel der Lagunenstadt, und viel preiswerter als wenn privat eine Gondel angemietet wird. (Die selbe Situation wie bei uns mit Bussen und Taxis, plus Wasser.)
Viele Mitpassagiere hats nicht auf dem Transportschiff; ein Gruppe gutgelaunter kanadischer Frauen um die Fünfzig aus British Columbia, ein Pärchen aus den Staaten und zwei Venezianer.
Was zuerst auffällt, ist, dass die Vaporettos auf einer Art Wasserstrasse fahren (ehe die Zielstadt erreicht ist). Nämlich immer zwischen zwei Holzpfählen hindurch, welche als Wegmarkierung dienen. Bemerkenswert daran ist, dass diese Pfähle nicht beleuchtet sind, obschon es dunkel ist. Das Licht des Schiffes muss wohl ausreichen – und tut es auch – obwohl: einmal rumpelt es, irgendetwas muss dem Schiff zum Opfer gefallen sein.
Lichter einer Stadt, höchstwahrscheinlich Venedig, werden sichtbar. Normale Lichter einer nicht so normalen Stadt.
Als das Schiff das erste Mal anhält, um jemanden der Lagunenstadt anzuvertrauen, spüre ich das erste Mal Venedig. Irgendwie. Es fühlt sich, sicher zu grossen Teilen der Stimmung geschuldet, mystisch an, die Vergangenheit ist fast spür- und greifbar.
Einer der beiden Venezianer steigt aus, geht auf dem Weg am Rande des Wassers entlang, gemählich, aber dennoch dezidierten Schrittes.
Es sieht gespenstisch aus, eine einzelne Person auf diesem Weg nahe des schwarzen Nasses ins Dunkle entschwinden zu sehen.
Auch bei der nächsten Station wird angehalten. Ich sehe eine Joggerin vorbeilaufen. Sie scheint ganz ganz entrückt in einer Parallelwelt zu sein – wie das bei Jogger so oft den Anschein macht. Nachdem sie eine Treppe hochgelaufen ist, und ihre Silhouette sich aufgelöst hat und mit der Stadt verschmolzen ist, fährt das Schiff weiter.
Beim nächsten Stopp steigt der zweite Venezianer aus, glatzköpfig und mit einem langen Bart, er verabschiedet sich von den kanadischen Frauen mit einem „Bye, ladys! Finally at home!“
In der Nacht in einer fremden Stadt ankommen ist immer etwas sonderbares. Die Dunkelheit behält soviel des Ortes für sich, was einem die Gelegenheit gibt, am nächsten Tag, bei Tageslicht, sich einen zweiten Ersteindruck der Stadt zu verschaffen.
Es dauert nicht mehr lange, und ich bin an der Reihe, das Schiff zu verlassen.