18. Juli 2013
Die Abreise aus Russland naht. Die Fahrt von meiner Unterkunft zum Flughafen habe ich bereits in der Schweiz organisieren lassen. Dieser Fahrer kommt ausnahmsweise nicht zu spät, dafür aber zu früh; bereits um 11.30 Uhr steht der Mann in der Hostel-Lobby. Kein Problem, gepackt ist schliesslich schnell.
Eine Viertelstunde später kann mein Gepäck in den Kofferraum der Limousine verstaut werden. Nach dem Erlebnis in Moskau ist es ziemlich angenehm, stressfrei zum Abreiseort zu gelangen.
Beim Flughafen angelangt muss ich zuerst eine Sicherheitskontrolle passieren, um überhaupt ins Innere zu kommen.
Für dreihundert Rubel darf man sein Gepäck in Plastikfolie einpacken/einlullen lassen. Darauf kann ich verzichten, und ich habe sowieso kein russisches Geld mehr. Es soll nämlich nicht unbedingt ratsam sein, beim Verlassen Russlands Rubel dabeizuhaben.
Das Gepäck wird abgegeben. Dann, wenn man wie ich scheinbar zu früh ist muss man warten, bis der Flug aufgerufen wird. Dann kann man die grüne „Nichts-zu deklarieren“-Zone durchschreiten, oder eben die rote, wenn man denn deklarieren will.
Es folgt die Passkontrolle. Man muss Pass (was für eine Überraschung), Visum, Immigrationskarte und Boardingpass vorweisen. Nach etwa zwei Minuten Warten, während der schweigsame Mann in der Kabine meine Sachen verifiziert, darf ich dann weiter gehen. Nun gelange ich schon zum Gate, etwas irritiert, weil die Personen- und Handgepäckdurchleuchtung noch nicht stattgefunden hat.
Und siehe da, ich merke bei der Wartezone vor dem Gate, dass da tatsächlich noch was kommt: Ich und mein (Hand-)Gepäck werden auf dem Gate geröntgt, also kurz vor dem Besteigen des Fliegers. Wobei „kurz“ hier nicht das richtige Wort ist: Es gibt immer noch eine Wartezeit von nicht ganz einer Stunde, was aufgrund des allzugut klimatisierten Raumes und des dadurch resultierenden Durchzugs nicht sonderlich angenehm ist. Dieser Raum füllt und füllt sich, während das Flugzeug, das mich und alle anderen nach Hause bringen soll, eintrifft – eine halbe Stunde vor dem geplanten Abflug. Etwas knapp, scheint mir, aber man will ja nicht allzu pessimistisch sein.
Sehr spannend finde ich immer wieder, wie eilig es die Leute generell haben, in den Flieger zu kommen. Ob das etwas hilft, wenn man früher als andere im Flugzeug ist? Ich kann es mir nicht vorstellen 🙂 (Obschon, in dem Fall mit dieser Klimatisation … !!!)
Beim Ventilator an der Decke im Warteraum drehen sich nicht nur die jene Teile, die sich bewegen sollen; die gesamte Apparatur macht mit, die Befestigung scheint nicht von Profis gemacht worden zu sein oder liegt schon geraume Zeit zurück. Ich bin jedenfalls froh, sitze ich nicht darunter.
Das Flugzeug wird bestiegen. Der Flug startet, trotz später Ankunftszeit des Fliegers, nur mit geringer Verspätung (circa zwanzig Minuten).
Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, neben einem älteren, offensichtlich pensionierten Schweizer Ehepaar, dem Dialekt nach aus Zürich, zu sitzen. Das Paar gehört zu einer kleineren Reisegruppe. Der Gatte ist der typische Ehemann aus den vorherigen Jahrzehnten. Ist laut, rechthaberisch, wähnt sich gescheiter denn seine Frau, welche schon etwas unterwürfig wirkt, wobei dieser Eindruck vermutlich täuscht. Jedenfalls macht sie einen clevereren Eindruck als ihr Gatte. Jener erinnert mich an den bekanntesten Politiker unserer „Volkspartei“. Sympathisch, oder nicht?
Als ich mein Handgepäck verstauen will, erhalte ich sinnvolle Hinweise des „Politiker-Look-alikes“, wie dies am besten zu handhaben sei (es ist schon viel Gepäck verstaut worden, und es ist nicht einfach, meine Siebensachen auch noch hineinzubekommen). Die nicht sehr nützlichen Hinweise ignorierend, regt sich der ältere Herr auf, sagt, dass es auf meine Art und Weise nicht klappe. Da ich Auseinandersetzungen in Flugzeugen generell zu vermeiden suche, schweige ich, versuche das Gepäckfach zu schliessen – und siehe da, das Schliessen funktioniert auch. Immer noch schweigend blicke ich ostentativ den Besserwisser an, nun fehlen im zu meiner Freude die Worte.
Ich setze mich auf meinen Platz. Von mir aus kann der Flug beginnen. Doch bevor es losgeht, entsteht eine Unruhe: Ein Mann wird laut, weil er/bzw. seine Familie nicht die gewünschten Plätze einnehmen kann. Es gibt eine lange Diskussion mit der Crew, scheinbar dürfen Kinder nicht in den Notausgang-Reihen sitzen, so zumindest verstehe ich es. Andere Plätze scheinen für den Mann nicht in Frage zu kommen. Warum genau, erschliesst sich mir nicht.
Schlussendlich nehmen dann alle Platz, die Situation scheint geklärt zu sein – nachdem dem Mann von einer Flugbegleiterin angeboten wird, er könne den Flieger verlassen, oder die alternativ angebotenen Plätze akzeptieren.
Leider lässt die nächste mühselige Episode nicht lange auf sich warten: eine mitteljunge Frau kann ihre Tasche nicht finden. Die Flight Attendants machen sich auf die Suche, ohne Erfolg. Die Frau macht ein ziemliches Aufheben.
Dann endlich startet der Flieger. Das Essen wird serviert. Ziemlich lecker, wie dieses Bild untermauert:
Auf etwa halber Strecke (die Gesamtstrecke beträgt übrigens 1970 Kilometer) findet eine Flight Attendant die vermisste Tasche der vorher erwähnten Frau. Die Tasche ist aus einem Duty Free-Shop, und es stellt sich daraus, dass darin bloss Whiskey ist. Die ganze Aufregung wegen eines Fusels aus dem Zollfrei-Shop. Eine der Flight Attendants regt sich furchtbar auf; sie erzählt im ganzen Flieger, schlussendlich auch der Besitzerin, dass sie ebenjener die Tasche schon vor dem Abflug gezeigt habe, und ihr mitgeteilt wurde, dass das nicht das Objekt der Suche sei. Die Whiskey-Käuferin bestreitet dies selbstredend.
Ansonsten ist der Flug ziemlich ruhig. Ich widme mich der Zeitschrift русская Швейцария (‚Russische Schweiz‘), bloss um festzustellen, dass meine Russisch-Kenntnisse durchaus ausbaufähig sind und für die Lektüre des Magazins leider noch nicht ausreichen.
Mit nur geringer Verspätung erreichen wir dann irgendwann am Nachmittag die Schweiz, genauer gesagt Zürich. Die verspätete Abflugszeit konnte grösstenteils aufgeholt werden.
Auf dem Band der Gepäcksausgabe werden ‚Summer Essentials‘ beworben. Die Werber_innen von heute sind augenscheinlich wirklich bemüht, die ausgefallensten Orte für die Anpreisung ihrer Produkte zu finden.
Ich erhalte mein Gepäck. Nach einer etwa einstündigen, durchaus angenehmen Zugfahrt erreiche ich meinen Wohnort Bern.
Egal, wie toll Auslandaufenthalte sind: es ist einfach immer wieder schön, wieder in der Schweiz anzukommen.
***
PS: Wer mich ‚in echt‘ kennt, weiss, dass ich Flughäfen liebe, und auch das Fotografieren dort.
Einige meiner liebsten Aufnahmen sind in Flughäfen enstanden.
Da es in Russland so eine Sache mit dem Fotografieren ist, habe ich im Zweifelsfalle verzichtet, die Kamera zu zücken – so auch im Pulkovo Airport. Darum kann ich in diesem Beitrag nicht mit tollen ‚airport moments‘ aufwarten :).
PPS: Trotz vorsichtigem Fotografier-Verhalten wurde ich einmal in Moskau von einem Einheimischen aufgeregt angesprochen, dass ich aufpassen solle was ich fotografiere. Ansonsten könne ich verhaftet werden.
PPPS: Ich weiss, dass im Zeitalter der Elektronischen Medien Post Scriptums eigentlich nicht mehr nötig sind. Dennoch mache ich hin und wieder gerne davon Gebrauch.